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Wie wir wurden, was wir sind
– ein Blick in die Geschichte

Eine Kirche gehörte fast überall von Anfang an zum Dorf dazu. Dort wurde vom Priester die Messe gelesen, Kinder getauft und die Toten wurden rund um die Kirchen begraben. Oft baute man um den Kirchhof herum eine Mauer, so wurde die Kirche zur „Wehrkirche“ - zur Schutzburg in Gefahren. In Hoof erkennt man diese Anlage noch recht gut.

Elmshagener Kirche 1963

Die Elmshagener Kirche stammt in weiten Teilen noch aus dem Mittelalter und ist damit die älteste in der Region. In den größeren Orten wurden die Kirchen oft durch Neubauten ersetzt. Eine alte Sakramentsnische stammt aus dieser vorreformatorischen Zeit. Katholische Kirchen haben auch heute ein Tabernakel, über dem das „ewige Licht“ brennt. Es zeigt an, dass Christus in der Gestalt der geweihten Hostie gegenwärtig ist.

Hier wurden die geweihten Hostien sowie Abendmahlskelch und Abendmahlsteller aufbewahrt.

Der zentrale Ort in den alten Kirchen war der Altar, an dem der Priester die Messe feierte. Dazu gab es auch einen Taufstein. Gepredigt wurde im Mittelalter in den kleinen Kirchen nicht. In vielen Kirchen zeigten Wandbilder biblische Geschichten oder Heilige. In Zierenberg haben sich diese Bilder unter späteren Übermalungen erhalten und konnten freigelegt werden.

Bilderbibel: Der heilige Martin und Maria mit dem Jesuskind, Wandmalerei in Ev. Stadtkirche Zierenberg https://www.kirche-zierenberg.de/stadtkirche/galerie/index.php?img=7#thumbs

Die Messe wurde in dieser Zeit auf Lateinisch „gelesen“. Die Menschen wussten, dass es um Jesu Opfer am Kreuz ging, das heilig und wichtig war. Den Wortlaut verstanden die meisten nicht, aber das war nicht entscheidend. Hauptsache, man war dabei und empfing die Sakramente. Man lebte den Glauben anders, machte Prozessionen und pilgerte zum Beispiel zum Grab der Heiligen Elisabeth nach Marburg oder nach Kloster Hasungen, wo der wundertätige Heimerad gelebt hatte. In den Klöstern wurde für andere gebetet, aber dort wurden auch Almosen an Arme verteilt und die Klöster hatten die ersten Schulen. Sie waren im frühen Mittelalter neben ihren religiösen Zwecken auch Pflanzstätten von Technik, Wissen und Kultur.

http://klostermuseum-burghasungen.de

https://www.naturpark-habichtswald.de/attraktionen/kloster-und-hospitalsanlage-merxhausen

 


1500-1700

Reformation in zwei Etappen

Im Spätmittelalter änderte sich das religiöse Leben. Die Leute wollten nicht mehr alles von der Kirche vorgesetzt und vorgeschrieben bekommen, sondern jetzt selbst mehr über Gott und Bibel wissen. Außerdem gab es Fehlentwicklungen wie den Ablasshandel und eine zu starke Verweltlichung der Kirche. Darauf antwortete in Deutschland Martin Luthers Reformation. In vielen Teilen Europas gab es eigene Reformatoren der Kirche, wie Ulrich Zwingli in der Schweiz, John Knox in Schottland, Jean Calvin in Frankreich. Reformation bedeutet Erneuerung der Kirche aus dem Geist der Bibel.

https://www.luther2017.de

Die Reform des Gottesdienstes war der sichtbare Beginn der Reformation in einer Stadt oder einem Landstrich. Oft entschieden die Landesherrn über die Einführung der neuen Gottesdienstform und lösten damit die Bischöfe ab. Es wurde auf Deutsch gepredigt, gebetet und gesungen. Damit man in Ruhe zuhören konnte, wurden bald Kanzeln, Sitzbänke und Emporen in die Kirchen eingebaut. Später gab es auch Orgeln zur Anleitung des Gemeindegesangs. "Allein die Schrift, allein der Glaube, allein die Gnade" war ein Wahlspruch der Reformation.  Die Heiligenverehrung wurde abgeschafft, die Klöster aufgelöst.

Zur Reform des Gottesdienstes kam Unterricht hinzu. Die Pfarrer sollten dafür sorgen, dass der Katechismus (Glaubenslehre) von allen gelernt wurde. In dieser Zeit gibt es auch die ersten Konfirmationen. Die Pfarrer studierten, um die Bibel auslegen zu können, z.B. an der Universität Marburg, die aus dem Vermögen aufgelöster Klöster gegründet worden war.  Andere alte Klöster wurden zu Hospitälern umgewandelt (so z.B. in Merxhausen) oder zu Schulen.

 

Notiert: Erstes Hoofer Kirchenbuch von 1598, später vom Pfarrer mit nach Elgershausen genommen und dort weitergeführt.

Ab ca. 1600 wurden die ersten Kirchenbücher von den Pfarrern angelegt und die Getauften, Getrauten und Verstorbenen aufgeschrieben. Für die Bildung der Gemeinde wurden Bücher, zum Beispiel Gesangbücher, angeschafft.

Alte Hoofer Bibel von 1666 und Lobwasser-Psalter von 1654 (Landeskirchliches Archiv Kassel)

Nach der ersten Reformation Martin Luthers gab es um Kassel herum (Niederhessen) ab 1600 eine „zweite Reformation" in der Tradition von Johannes Calvin. Seither sind unsere Kirchengemeinden „evangelisch-reformiert“: Das Abendmahl wurde mit normalem Brot statt Hostien gefeiert, Bilder mit weißer Farbe übermalt. Die Taufsteine wurden aus den Kirchen entfernt oder umfunktioniert. Die Predigt wurde endgültig der Mittelpunkt des Gottesdienstes und die Pfarrer hießen jetzt „Prediger“.

Hier soll man dem Wort lauschen: reformierte Elmshagener Kirche um 1900, vorn rechts der Ofen am „Schulstand“.

Ein altes Bild der Elmshagener Kirche zeigt mustergültig, wie die Kirchen verändert wurden: Die Kanzel auf dem umgedrehten Taufstein wird zum Zentrum der Kirche. Der Altar wurde mit einem schwarzen Tuch verhüllt, darauf lag die Bibel - sonst nichts. Die Sakramente Taufe und Abendmahl sollten nicht mehr an Gegenstände in den Kirchen gebunden werden, denn man sollte keine Dinge anbeten. Die Sakramentsnische war bereits hinter der neuen Empore verschwunden, getauft wird seit dieser Zeit mit einer einfache Zinnschüssel. Nach reformierter Lehre war Christus unsichtbar gegenwärtig, wenn die Gemeinde Gottes Wort der Predigt hörte, das Abendmahl feierte oder Kinder getauft wurden. Man kann die Neuerungen auf die Formel bringen "Sein statt Haben".

Damit in Elmshagen überhaupt Platz für die Empore war, hatte man das alte Gewölbe entfernt und eine höhere Decke eingezogen. Das Kirchendach wurde durch ein Fachwerkgeschoss erhöht, wohl auch, um die Kirche überhaupt noch sehen zu können, um die herum mittlerweile Häuser standen. Außerdem wurden größere Fenster in die Mauern gebrochen. Typisch reformiert ist auch die schlichte Wetterfahne.

In den Gemeinden wirkten nun auch „Laien“ mit, wenn auch in bescheidenem Maß. Es wurden „Älteste“ (Presbyter) bestimmt, die beim Gottesdienst ihren Platz neben dem Pfarrer hinter dem Altartisch hatten. Ihre Aufgabe war es, über die Sitten im Dorf zu wachen, aber auch darauf zu achten, dass arme Menschen eine Unterstützung aus dem Kirchenkasten erhielten. So bekamen Kinder und Arme an bestimmten Tagen im Jahr Brot ausgeteilt.

Die Kanzel in Elmshagen steht auf dem umgekehrten mittelalterlichen Taufstein

Um diese „Zweite Reformation“, die Landgraf Moritz den Gemeinden befohlen hatte, gab es in Hessen teils heftige Auseinandersetzungen. Manche Pfarrer mussten ihre Gemeinden verlassen, weil sie selbst die entsprechenden Erlasse nicht befolgen wollten. Oder die Gemeinden und Patronatsherren akzeptierten die Neuerungen nicht und die Pfarrer waren ratlos. So wechselte der Hoofer Pfarrer Leonard Siegen nach Elgershausen, um Querelen mit dem Hoofer Gutsherrn aus dem Weg zu gehen. Das von ihm in Hoof begonnene Kirchenbuch nahm er mit und führte es in Elgershausen weiter.

Landgraf Moritz konnte sich mit seiner Religionsreform nicht überall durchsetzen. Die Gegend um Marburg (Oberhessen) blieb insgesamt lutherisch, das eigenständige Waldeck sowieso. Dort finden sich bis heute in den Kirchen viele Kunstwerke und Bilder, anders als in den schlichten Kirchen Niederhessens. Diese Verschiedenheit in den Bekenntnissen ist mittlerweile überwunden. Unsere Landeskirche  versteht sich als zusammengewachsen aus den verschiedenen evangelischen Traditionen lutherisch, reformiert und uniert. Nicht wenige Gemeinden führen die alten Bezeichnungen aber noch in ihren Namen, so auch Hoof und Elmshagen.

https://de.wikipedia.org/wiki/Evangelische_Kirche_von_Kurhessen-Waldeck

Die Religionsstreitigkeiten in ganz Europa führten schließlich zum großen Dreißigjährigen Krieg von 1618 bis 1648. In dieser Zeit kam rund ein Drittel der Bevölkerung Deutschlands um. Ganze Landstriche, auch weite Teile Hessens, wurden verwüstet und verarmten für lange Zeit. Als 1648 der Westfälische Frieden den Krieg beendete, konnte man wieder an Wiederaufbau und Wiederanschaffung verlorener und geraubter Dinge gehen. In Hoof stiftete die Familie von Dalwigk einen wertvollen Abendmahlsteller von einem Kasseler Silberschmied.

Hoofer Abendmahlsteller von 1654


1700-1900 Die Zeit der Landeskirche

Die evangelische Kirche versteht sich bis heute weithin als "Landeskirche". Dahinter steht die Idee, dass es für ein Land jeweils eine Kirchenorganisation gibt. In der Reformationszeit war 1526 bei der Homberger Synode vorgeschlagen worden, dass die Kirche anders organisiert werden soll: als Gemeinschaft selbständiger und selbstverantwortlicher evangelischer Gemeinden. Aber dafür war die Zeit noch nicht reif. Zunächst setzte sich eine obrigkeitliche Kirchenverfassung durch: Mit Hilfe einer Kirchenbehörde("Konsistorium") bestimmte die staatliche Obrigkeit die Angelegenheiten der Gemeinden mit, ernannte die Pfarrer und regelte die Finanzen. Dieses "landesherrliche Kirchenregiment" bestand in Deutschland bis 1918. In einigen europäischen Ländern gibt es noch heute solche Staatskirchen, z.B. die Church of England oder skandinavische lutherische Kirchen.

Die alte Hoofer Kirche bis 1890 (bearbeitete Fotografie aus den 1880er Jahren)

 Wie funktionierte die Kirche auf dem platten Land? Die wichtigsten Vermittler blieben die Pfarrer, die jetzt aber ein anderes, neues Berufsbild hatten als die Priester des Mittelalters. Dicht bei der Hoofer Kirche wohnte der Pfarrer, der für die drei Dörfer „unter der Schauenburg“  (Hoof, Breitenbach und Elmshagen) zuständig war. Zum Pfarrhaus gehörte eine Landwirtschaft, die die Lebensgrundlage für die Pfarrfamilie bildete. Im Hoofer Platt wurde diese Pfarre „die Parr“ genannt und der Pfarrer war „der Parr“, in anderen Dörfern „der Pärrner“.

Historisches Hoofer Pfarrhaus bis 1903 (Aufnahme aus den 1930er Jahren)

Neben dem zum Pfarrhaus gehörenden „Pfarreiland“ gab es noch das eigentliche Kirchenland, das oft verpachtet wurde. Aus den Einnahmen wurde die Kirche ausgestattet, das Pfarrhaus erhalten und eine Almosenkasse unterhalten. Diese Gemeindefinanzen verwaltete der Kastenmeister. Daneben gab es noch das Küstereiland.

Aus dem Amt des Küsters entwickelte sich das des Lehrers, der bis vor wenigen Jahrzehnten immer auch den Organistendienst  übernahm. Ab 1700 entstanden auf den Dörfern die ersten Schulen, meistens nahe bei den Kirchen in den alten Küsterhäusern, so auch in Hoof und Elmshagen. Die ersten Schulen waren sehr einfache evangelische Bekenntnisschulen, Religionsunterricht war eines der Hauptfächer. Es dauerte lange, bis die Dorffamilien ihre Kinder regelmäßig und auch zu Zeiten von Aussaat und Ernte zur Schule schickten. Dafür musste oft der Ortspfarrer sorgen. Mit der Konfirmation vor Ostern endete die achtjährige Volksschulzeit. Neben dieser evangelischen Schule gab es in Hoof bis 1934 auch noch eine kleine Volksschule für die Kinder der jüdischen Familien aus Breitenbach und Hoof im Gebäude der Hoofer Synagoge.

Hoofer Schule (1842-1960) mit Lehrerwohnungen im Obergeschoss

Die Kirche hatte auch die Aufgabe einer Volksbildungsanstalt. Zum Gottesdienst am Sonntag sollte aus jedem Haus jemand kommen. Nach der Predigt verlas der Pfarrer von der Kanzel wichtige öffentliche Bekanntmachungen. Manchmal wurde auch jemand „abgekanzelt“, der sich versündigt hatte und nach erfolgter Buße wieder zum Abendmahl zugelassen wurde. Diese öffentliche Kirchenbuße wurde um 1800 abgeschafft. Die Pfarrer, die selbst eine Landwirtschaft hatten, führten oft Neuerungen ein - in der Landwirtschaft, aber auch auf anderen Gebieten. Der Hoofer Pfarrer Fenner z. B. hatte um 1815 in seinem Pfarrhaus den ersten „Sparherd“ im Dorf anstelle der offenen Herdfeuerstelle. Von manchen Pfarrern ist berichtet, dass sie zu Erntedank über den Kartoffelanbau und zu Weihnachten über die Stallfütterung predigten.

Einen Rekord als Pfarrer mit der längsten Amtszeit dürfte der Hoofer Pfarrer Theodor Adam halten, der als junger Mann nach Hoof kam und dort bis zu seinem Tod 1886 die Pfarrstelle über 55 Jahre innehatte. Zur damaligen Zeit gab es noch keine Pensionierung. Ein altgewordener Pfarrer stellte einen "Pfarradjunkten" an, der ihn bei den Amtspflichten unterstützte. Allerdings kam das nicht so häufig vor, da die Lebenserwartung nur selten über sechzig Jahre war.

Im 19. Jahrhundert gab es ein starkes Bevölkerungswachstum und damit verbunden große Armut. Viele Menschen wanderten aus, die Revolutionen von 1830 und 1848 fanden auch auf dem Hintergrund von Missernten und Arbeitslosigkeit von Handwerkern durch die Industrialisierung statt. Die Kirche stand als Staatskirche auf der Seite der Herrschenden. Die Pfarrer sollten die Lage beruhigen und die Menschen dazu bewegen, ihr Schicksal als gottgegeben zu ertragen. Viele Arbeiter wandten sich damals vom Glauben ab, Karl Marx nannte die Religion ein "Opium des Volks".

Vielen Seelsorgern waren die sozialen Missstände und die Not ihrer Gemeinden sehr wohl bewusst, und es wurde versucht, Hilfen zu organisieren. Es entstand die "Innere Mission", aus der die Diakonie hervorging. Im ausgehenden 19. Jahrhundert gründete Pfarrer Lohr die erste Hoofer Darlehenskasse, die heutige Raiffeisenstraße hieß einige Zeit „Lohrstraße“. Seit 1898 gab es bis 1970 eine Schwesternstation der Kirchengemeinde mit Gemeindeschwestern aus dem Kasseler Diakonissenhaus. Die als Krankenschwestern ausgebildeten Diakonissen erfüllten eine ganz wichtige Aufgabe in der Krankenfürsorge, aber auch in der Gesundheitsvorsorge und Hygieneerziehung. Es waren die Jahrzehnte, in denen die Kindersterblichkeit in Deutschland radikal gesenkt wurde und die Lebenserwartung stark anstieg. Diakonissen arbeiteten oft auch in den ersten Kindergärten, die nach Ideen von Friedrich Fröbel entstanden.

Frauenpower: Hoofer Mütterverein um 1930 mit Schwester Marie Linde. In der letzten Reihe trägt eine Frau noch die zur alten Dorftracht gehörende Betzelhaube.

In vielen Gegenden Deutschlands gab es ab 1850 eine „Erweckungsbewegung“, die die religiöse Kernaufgabe der Kirche und die persönliche Bekehrung der Gemeindeglieder wieder besonders in den Vordergrund stellte. Das veränderte auch die Frömmigkeit in den Landeskirchen. Nach der Revolution von 1848 gestand man einige Freiheiten zu: Es entstanden die ersten Freikirchen, die sich von der Staatskirche unabhängig machten, wie die „renitenten“ Gemeinden in Sand und Balhorn.

Der langsam gewachsene Wohlstand, das neue religiöse Bedürfnis und die einfache Tatsache, dass die alte Hoofer Kirche zu klein und baufällig geworden war, führten zum Kirchenneubau von 1891. Nach dem Vorbild der einige Jahre vorher gebaute Naumburger evangelischen Kirche wurde die Hoofer Kirche erbaut. Eine Erweiterung mit moderner Heizung, elektrischem Licht, Sakristei und Patronatsloge entstand 1911.

Es werde Licht: Hoofer Kirche mit elektrischen Kronleuchtern. Hinter dem Altar sind die Bänke für die Ältesten und den Pfarrer zu sehen. Links im Chorraum die Loge für die Patronatsfamilie von Kieckebusch.


1900 bis 2020 Moderne Zeiten: die Kirche wird eigenständig

Hoofer Gemeinde- und Pfarrhaus von 1903 mit Dienstwohnung im Obergeschoss

Neben der prächtigen neuen Hoofer Kirche fiel das alte Pfarrhaus nun ziemlich stark ab. Dazu gab es auch Bedarf nach eigenen Räumen für neue Formen der Gemeindearbeit. So wurde 1903 an der Korbacher Straße ein neues Pfarrhaus gebaut, das im Erdgeschoss Gemeinderäume für Konfirmandenunterricht und Gemeindegruppen hatte. Der Standort an der oberen Korbacher Straße entstand in Nähe zum seit 1904 im Betrieb befindlichen Bahnhof. Etliche Häuser entstanden in dieser Zeit im oberen Dorf. In den folgenden Jahrzehnten entwickelte sich ein vielfältiges kirchliches Leben.

Pfarrer Lohr und Konfirmanden des Kirchspiels um 1910

Auch wenn uns die steifen Hüte und ernsten Gesichter altertümlich vorkommen - es wurden moderne Ansätze der kirchlichen Arbeit erfolgreich umgesetzt. Die Kirche hatte im Dorf einen recht guten Stand. Die Pfarrer blieben lange am Ort und prägten Generationen.

Die Stützen des Pfarrers: Hoofer Kirchenvorstand mit Pfarrer Lohr um 1910

Lobe den Herren! - Posaunenchor Hoof auf einer undatierten Aufnahme

Mit dem Ende der Monarchie löste sich die enge Verbindung von Staat und Kirche, und die Kirche wurde eigenständig. Die Schulaufsicht über die Volksschule, die der Pfarrer als Staatsbeamter ausgeübt hatte, fiel fort. In den 60er Jahren wurde auch das alte aus dem Mittelalter stammende Kirchenpatronat des Gutsherrn abgelöst. Die Gutsherrschaft hatte erheblich für die Erhaltung von Kirche und Pfarrhaus beizutragen und bestimmte bei der Pfarrerwahl mit. Diese Veränderungen wurden von vielen Pfarrern als Befreiung von ungeliebten Pflichten und Bevormundung empfunden. Bei manchen alten Rechten, die man als „Obrigkeit“ gehabt hatte, fiel der Abschied nicht so leicht. Die Kirche war als geistig bestimmende Kraft des alten Staates durch Werte wie Nationalstolz und Untertanengehorsam geprägt.

Es braust ein Ruf wie Donnerhall: Gemeinde unterwegs mit Pfarrer Bode zum Hermannsdenkmal (1938?)

Mit der neuen Weimarer Republik tat man sich lange Zeit schwer. So kam es auch bei konservativen Gemeindegliedern zu viel Zustimmung zu Adolf Hitlers nationalistischer Politik seit 1933. Auch gegen die Ausgrenzung der jüdischen Mitbürger regte sich kaum Widerstand. Die Hoofer, die als Nachbarn, im Vereinsleben  und in vielen Geschäftsbeziehungen gut mit ihren jüdischen Mitbürgern zusammengelebt hatten, wurden von den Nationalsozialisten auf Linie gebracht.

Artikel im „Stürmer“, dem Hetzblatt der Nationalsozialisten, vom Januar 1934

Als 1938 die Häuser der Hoofer Juden verwüstet und die Menschen aus ihren Wohnungen herausgeprügelt wurden, löste das bei vielen Menschen große Schrecken aus, man war aber zu eingeschüchtert, um dagegen öffentlich Stellung zu beziehen. Und es gab auch Profiteure, die den Juden ihr Schicksal gönnten. Die frühere Hoofer Synagoge und jüdische Schule wurde einige Jahre öffentlich von Vereinen genutzt und Jahre später schließlich an Privatleute verkauft. Heute ist dort eine Gedenktafel angebracht. In den vergangenen Jahren fanden wiederholt Gedenkfeiern statt. Für das Jahr 2021 ist die Verlegung sogenannter „Stolpersteine“ vor den Wohnungen der jüdischen Einwohner geplant. Die Ev. Kirchengemeinde fühlt sich der Erinnerung an das Schicksal der Hoofer Jüdinnen und Juden verpflichtet.

Foto: HNA vom 10.11.2020, Bericht über die Aktion "Stolpersteine"

Nach dem Zweiten Weltkrieg wuchs die Bevölkerungszahl durch Flüchtlinge und Vertriebene stark an. 1952 schied Breitenbach aus dem Kirchspiel aus und teilt sich seither mit Martinhagen eine eigene Pfarrstelle. Durch die schon in den 30er Jahren errichtete Henschelsiedlung in der Gartenstraße, vor allem aber durch die VW-Siedlung wuchs der Ort in östlicher Richtung.

Ein alter Hoofer Gemeindebrief zum Abschied von Pfarrer Bode

Wieder am alten Standort: Pfarrhausneubau 1971

Nachdem 1960 die neue Hoofer Schule an der Wahlgemeinde den Betrieb aufgenommen hatte, wurde das alte Schulgebäude an der Kirche abgerissen. Hier entstand ein "Kirchenzentrum" mit Gemeindehaus (1969) und Pfarrhaus (1971). Das historische ehemalige Fachwerk-Pfarrhaus war zuvor abgebrochen worden. Das mittlerweile abgelegene Gemeinde- und Pfarrhaus an der Korbacher Straße wurde verkauft.

Konfirmation 1974 mit Pfarrer Vonjahr

Die Kirchengemeinde Hoof machte eine lebhafte Entwicklung mit großen Konfirmandengruppen, Jugendarbeit und Gemeindegruppen. Auch im kleineren Elmshagen wurde die Kirche modernisiert und es gab einen gut besuchten Seniorennachmittag. Die Kirchengemeinden Hoof und Elgershausen kooperieren im Bereich der Jugendarbeit Ein gemeinsames Projekt der Schauenburger Gemeinden ist neben dem Weltgebetstagsgottesdienst und der gemeinsamen Feier am Himmelfahrtstag der aus privater Initiative hervorgegangene „Kumba-Freundeskreis“, der junge Menschen in Kamerun unterstützt. Von 1987 bis 2005 gab es für Hoof eine zusätzliche halbe Pfarrstelle mit eigenem Pfarrhaus im Neubaugebiet in der Brüder-Grimm-Straße.

Schauenburger Kirchenbezirksfest 1984 im Gutspark mit Gästen aus der Ökumene

Die Gemeindearbeit der letzten Jahre hatte Schwerpunkte bei der Jugendarbeit und der Kirchenmusik: die historische Hoofer Orgel wurde denkmalgerecht saniert und es gab viele Orgel- und Chorkonzerte. In Zusammenarbeit mit Hoofer Vereinen und Privatleuten gibt es seit rund 20 Jahren den Hoofer Weihnachtsmarkt am zweiten Adventssonntag.

Unsere Gesellschaft ist im Wandel und davon sind die Kirchen nicht ausgenommen. So wie in ganz Deutschland und Europa der Einfluss der Kirchen rückläufig ist, spiegelt sich das auch auf der Ebenen der Ortsgemeinden wider. Bei uns gehören nicht mehr über 80 Prozent der Einwohner (wie in den fünfziger und sechziger Jahren) zur Evangelischen Kirche, sondern noch gut 50 Prozent. In ähnlicher Weise haben sich auch die politischen Parteien und viele Vereine verändert.

Immerhin: noch sind unserer Gemeinden die größten freiwilligen Zusammenschlüsse in unserer Gesellschaft. Eltern bringen ihre Kinder zur Taufe. In unserer Region nehmen die meisten Jugendlichen am Konfirmandenunterricht teil. Zu Heiligabend finden nach wie vor ganz viele Menschen den Weg in die Gottesdienste. Alte Menschen bekommen Besuch vom Pfarrer oder vom Besuchsdienst. Die meisten Verstorbenen werden kirchlich bestattet. In Schule und Kindergarten werden Gottesdienste gefeiert und im Unterricht hören Jungen und Mädchen aufmerksam zu, wenn biblischen Geschichten erzählt werden. Und manche warten am Samstagabend darauf, dass die Glocken den Sonntag einläuten.

Es gibt nach wie vor gute Gründe, dass es die Kirche gibt. Hier sind einmal zwölf genannt (Quelle: evangelisch.de):

  1. Im christlichen Glauben bewahrt die Kirche eine Wahrheit, die Menschen sich nicht selber sagen können. Daraus ergeben sich Maßstäbe für ein verantwortungsbewusstes Leben.
  2. In der Kirche wird die menschliche Sehnsucht nach Segen gehört und beantwortet.
  3. Die Kirche begleitet Menschen von der Geburt bis zum Tod. Das stärkt auf geheimnisvolle Weise.
  4. In der Kirche können Menschen an einer Hoffnung auf Gott teilhaben, die über den Tod hinausreicht.
  5. Die Kirche ist ein Ort der Ruhe und Besinnung. Unsere Gesellschaft ist gut beraten, wenn sie solche Orte pflegt.
  6. In der Kirche treten Menschen mit Gebeten und Gottesdiensten für andere ein. Sie tun das auch stellvertretend für die Gesellschaft.
  7. Die kirchlichen Sonn- und Feiertage mit ihren Themen, ihrer Musik und ihrer Atmosphäre prägen das Jahr. Die Kirche setzt sich dafür ein, diese Tage zu erhalten.
  8. In Seelsorge und Beratung der Kirche wird der ganze Mensch ernstgenommen und angenommen.
  9. In Krankenhäusern und anderen sozialen Einrichtungen der Kirche schaffen viele haupt- und ehrenamtlich Engagierte ein besonderes, menschliches Klima.
  10. Wer die Kirche unterstützt, übt Solidarität mit den Schwachen und Benachteiligten.
  11. Kirchliche Musik und Kunst sind bis heute prägende Kräfte unserer Kultur.
  12. Wo immer Menschen hinkommen oder hinziehen, treffen sie auch die weltweite christliche Gemeinschaft. Dazu kann jede und jeder beitragen.

 

Die Hoofer Voigt-Orgel mit pneumatischer Ton- und Registermechanik.